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von Sandra Gumbrecht
Vor Kurzem drückte mir eine Freundin ihre neue Golfuhr in die Hand. Sie konnte ihren eigenen Heimgolfplatz per Benutzeroberfläche nicht wählen.
Ich nahm die Uhr in die Hand. Auf den ersten Blick fiel mir das schicke Design und eine reduzierte Benutzeroberfläche und -führung auf. Aber bei genauerer Betrachtung lies es die Usability mir ebenfalls nicht zu, den Stammgolfplatz zu wählen.
Diese Markenberührung (Produktbedienung bzw. User Interface) endete für uns nicht zufriedenstellend und damit mit einem negativen Gefühl.
Was bedeutet Marke?
„Eine Verbindung aus einem Namen und einem dazugehörigen Logo, die gemeinsam für ein bestimmtes Produkt stehen und die in der Werbung als Symbol für dessen Qualität herausgestellt werden.“ (Quelle: Google)
Eine Marke im Zeitalter der Digital Experience bedeutet deutlich mehr. Es geht darum, eine positive emotionale Bindung zwischen Unternehmen bzw. der Marke und den Konsumenten zu schaffen.
Eine Marke ist nicht alleine ein Logo oder ein Slogan. Eine Marke ist immer auch eine subjektive Wahrnehmung von Werten, die eine Person im Umgang mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder dem Unternehmen erfährt und wahrnimmt. Schließlich kann diese Person Stimmungen am Markt für oder gegen die Marke machen (Social Media).
Des Weiteren können Personen Marken sein oder Marken entsprechend unterstützen, wie z. B. der verstorbene Steve Jobs (Apple) – dessen Auftreten und Arbeit bis heute nachwirken – oder Elon Musk (Tesla).
Wie können sich Marken bilden?
Marken bilden sich aus der Summe von Erfahrungen, die wir mit Ihnen machen. Wie sieht ein Unternehmen aus (Logo, grafische Elemente, Typografie, Bild). Wie klingt es (Claim, allgemeine Texte z. B. für Websites oder Broschüren, Kommunikation mit dem Kunden). Wie verhält es sich (z. B. Kundenservice oder stimmt die Moral des Unternehmens mit dem der Kunden überein?).
Zurück zum Golfuhr-Beispiel. Nachdem wir den gewünschten Stammgolfplatz nicht auswählen konnten, war unsere nächste Handlung der Kontakt zum Kundenservice. Vielleicht können uns Mitarbeiter des Unternehmens erklären, wie wir unseren Heimgolfplatz wählen können. Eine freundliche Mitarbeiterin diktierte einen Link zum Online-Benutzerhandbuch.
Der Besuch der Website brachte uns nicht zum Ziel. Letztendlich waren wir nur durch das Lesen diverser, externer Forenbeiträge erfolgreich.
Dieser erneute Markenberührungspunkt (Kundenservice und Website) fiel wieder negativ aus. Das Beispiel zeigt gut, wie Werte vom Produkt selbst bis hin zu Online- und Offline-Werten übertragen werden können. Somit zu einem Ganzen werden.
Wie verhält es sich mit Marken in der Online-Welt?
Im digitalen Raum interagieren Kunden mit Marken durch Websites, Apps und bald durch das Internet der Dinge (IoT). Zur Markenbildung gehört mehr als ein schönes Erscheinungsbild und eine einfache Bedienoberfläche. Kleinigkeiten wie Micro-Animationen (z. B. animierte Übergänge oder Buttons) schaffen unbewusst positive Emotion. Durch „Mehrwerte“ und Vereinfachungen entstehen offensichtliche, positive Markenwerte.
Ein Bespiel dazu: Heute bekam ich meinen Amazon Fire TV Stick. Ich machte mich innerlich auf ein langwieriges eintippen meiner E-Mail und meines Passwortes bereit. Da der Stick bereits auf mich personalisiert war, sah ich meinen ersten Film durch einfaches Plug and Play. Ich merkte, wie Amazon emotional bei mir Pluspunkte erhielt.
Wie kann User Experience die Marke unterstützen?
Definition: „Der Begriff User Experience umschreibt alle Aspekte der Erfahrungen eines Nutzers bei der Interaktion mit einem Produkt, Dienst, einer Umgebung oder Einrichtung. Dazu zählen auch Software und IT-Systeme.“ (Quelle: Wikipedia)
Wendet man im Vorfeld Zeit für User Research (z. B. Beobachtung, Interviews mit tatsächlichen Kunden) auf, können ganz gezielt Potenzial und Schwachstellen einer Marke ermittelt werden.
Unsere Golfuhr könnte z. B. nach Eingabe unserer Golfmitgliedschaftsnummer alle für uns relevanten Daten zur Verfügung stellen. Darunter auch den Heimgolfplatz.
Wie kann UX zu einer Markendifferenzierung werden?
Durch die Sammlung von Daten während des UX-Prozesses, erhält man wichtige Einblicke zum User-Verhalten. Mit diesen Einblicken können Erfahrungen oder Produkte geschaffen werden, die ursprünglich nicht angedacht waren.
Die Golfuhr könnte uns eine halbe Stunde vor der geplanten Abfahrtszeit daran erinnern loszufahren. Es herrscht Stau auf der Strecke. Dennoch schaffen wir den pünktlichen Abschlag am ersten Tee.
Das sind Mehrwerte, die ein Unternehmen (und damit die Marke) dem Kunden bieten kann. Vielleicht geht der Kunde nach dem Golfen gerne zum Essen. Die Reservierung kann die Uhr vornehmen, da sie speichert, wie lange wir für eine Runde benötigen. Die Uhr lernt auf diesem Wege ständig mit, kennt sozusagen die Gewohnheiten, da sie permanent mit User-Daten und User-Gepflogenheiten „gefüttert“ wird. Oder wie wäre es nach der Golfrunde beispielsweise mit Vorschlägen für Restaurants in der Nähe, unabhängig davon, ob es sich um den Heimgolfplatz oder einen Golfplatz im Urlaub handelt?!
Solche Features entstehen während des Research-Prozesses. Anhand von ersten Prototypen können diese Ideen getestet und verfeinert werden. Designer behalten die gewonnenen Erkenntnisse im Blick und können weitere Mehrwerte schaffen.
Wird mehr Zeit im Vorfeld (Research und Analyse) verwendet, kann ein relevanter Wettbewerbsvorteil entstehen.
Wie trägt UX zu einem positiven Markenwert in der Offline-Welt bei?
Ist der Benutzer mit einem interaktiven Produkt zufrieden, überträgt er diese Emotion auf weitere Marken, Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens und baut damit (s)einen positiven Wertekanon (in Bezug auf das Unternehmen) immer weiter auf. Der Konsument nimmt diese positive Bindung zum Unternehmen nicht zwingend aktiv wahr. Es verhält sich vielmehr wie mit einem Art Sparbuch, in dem Emotionen eingezahlt, gespeichert und wieder abgerufen werden.
Der Golfuhrhersteller hat gelernt. Meine Freundin und ich sind aufgrund von neu angebotenen Mehrwerten mit der Golfuhr zufrieden. Stehen wir demnächst vor einem Regal, mit dem Wunsch ein neues Produkt zu kaufen, kann es durchaus sein, dass wir aufgrund der guten Erfahrungen genau zu dieser Marke greifen.