Englische Version auf Medium
von Sandra Gumbrecht

„Gutes User Interface konzentriert sich auf das Wesentliche, ist im Design unaufdringlich und langlebig. Die Grundvoraussetzung dafür ist die Reduktion an Funktionalität“, schrieb ich in einem meiner letzten Blog-Beiträge. Oft habe ich mich in den vergangenen Wochen mit dieser Aussage beschäftigt. Auch – oder gerade weil – mir diese Argumentation inhaltlich immer wieder begegnete und begegnet. 

Was aber verbirgt sich genau hinter „... Reduktion an Funktionalität“? Vor allem geht es darum, komplexe Zusammenhänge für den Benutzer bequem und leicht verständlich darzustellen. Produkte und Anwendungen, auf die wir im Alltag oder im Beruf stoßen, mit denen wir umgehen, werden von Version zur Version vielschichtiger. Die Aufgabe der Usability ist es somit, dieses Aufkommen an Komplexität in Einfachheit zu übersetzen. Vielleicht kann man diesen Vorgang als die Schaffung eines Paralleluniversums beschreiben. Denn wir bewältigen auf der einen Seite komplizierte technische Zusammenhänge, die auf der anderen Seite ganz bewusst durch einfache Aktionen ausgelöst werden.

Einfachheit wird Realität

Werden alle Funktionen und Möglichkeiten gleichzeitig dargestellt, sieht der User „den Wald vor lauter Bäumen“ nicht mehr. Vergleiche ich Beispielsweise meine Receiver-Bedienung mit einer modernen Fernbedienung, ist der Unterschied sofort erkennbar.

Funktionalität vs. Bedienbarkeit: Zwei Fernbedienungen im Vergleich
Funktionalität vs. Bedienbarkeit

Das Bild zeigt klar, wer bei der Usability gewinnt. Nämlich das Produkt, das sein eigentliches Können zurücknimmt und den User (und damit die Benutzerfreundlichkeit) in den Vordergrund stellt. 

Gebe ich dem Benutzer beispielsweise drei unterschiedliche Optionen die Lautstärke anzupassen, sind das zwei Alternativen zu viel. Denn je enger der Weg, desto eindeutiger wird die Benutzerführung.

Usability gibt Wege vor

Ein weiterer Punkt, der für einen klar vorgegebenen Weg spricht: Der Benutzer hat ein Ziel vor Augen, das er schnell und unkompliziert erreichen möchte. Kommt er an eine Weggabelung, an der er denken und entscheiden muss, entsteht ganz automatisch eine Hürde auf dem Weg zum Ziel. Passiert das immer wieder, kann der User sogar – im wahrsten Sinne des Wortes – „verloren-gehen“.  

Umso wichtiger ist es, sich im User Experience Prozess auf unmissverständliche Ziele zu fokussieren. Was will der User? Wie sind seine Wünsche leicht, mit geringem Aufwand und wenigen Klicks zu realisieren.

Wörter weisen zum Ziel

Des Öfteren stoße ich bei Anmeldeprozessen auf zwei Buttons. Der eine ist mit „registrieren“ und der andere mit „anmelden“ gekennzeichnet. Möchte ich meinen Kunden bzw. Neukunden wirklich vor diese Entscheidung stellen? Wie differenzenziert sich der Registrier- vom Anmeldevorgang? Exakt umrissenes Wording führt zu einem schlüssigen Verständnis und einem „glücklichen“ Kunden.

Einloggen oder Anmelden. Auch das Wording spielt im Bereich User Experience eine große Rolle.

Begreift und weiß der Kunde auf einem Blick, was sich hinter einem Button oder Knopf befindet, wird sofort Vertrauen aufgebaut, und er drückt den entsprechenden Button/Knopf viel bedenkenloser. Daher gehört neben dem User Interface genauso die Disziplin eines optimierten Textes zu einer guten Usability.

Die Optik unterstützt

Bestimmt hat sich jeder von uns schon einmal auf ein Leitsystem, z. B. im Park- oder Krankenhaus, verlassen (müssen). Doch einem Leitsystem folgen zu können, dass auf Anhieb und ohne Fragezeichen richtig führt, ist – aus eigener Erfahrung heraus – eher seltener anzutreffen. Mir ist es beispielsweise bereits öfters passiert, dass ich nicht genau einordnen konnte, in welche Richtung ein Pfeil tatsächlich zeigt.

Übertrage ich nun Gesetzmäßigkeiten aus einem Leitsystem in ein User Interface, treffe ich auf ähnliche Herausforderungen – und daraus abgeleitete Lösungsansätze. In der interaktiven Welt benötige ich, genauso wie im realen Umfeld, konsistente, logische Formen und Farben. Daraus folgt, dass ein Pfeil nach rechts auf jedem Screen oder Knopf immer gleich aussehen sollte.

Konsistentes User Interface hilft bei der einfachen Bedienung.

Für jeden treffend

Ein interaktives Farb- bzw. Wortsystem wird genauso wahrgenommen wie in der realen Welt. D. h. es gibt Menschen, die sich besser Farben merken können, andere wieder eher das Erscheinungsbild von Buchstaben und Wörtern, andere vertrauen Klängen etc. Daher ist eine gute und sinnvolle Mischung, all diese Sinne anzusprechen, der beste Weg. Denn wird der User auf seiner User-Reise Schritt für Schritt klar angesprochen und wird ihm auf diese Art und Weise beigebracht, wie das System funktioniert, dann sollte es ein Leichtes sein, die Bedürfnisse des Kunden zu treffen.   

Aufgabe des Produkts

Das Produkt bzw. die Anwendung besteht nicht nur aus der Hülle und der Technik, sondern auch oder gerade besonders aus der Bedienung. Die Aufgabe ist es, durch Konsequenz Einfachheit zu schaffen. Sodass der Kunde das Produkt problemlos bedient und gerne damit umgeht, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen.

Hier spielen verschiedene Disziplinen wie z. B. Technik, Design und Text eine wichtige Rolle. Und wie oben beschrieben, gewinnen alle, die sich zurücknehmen können. Der Kunde steht im Mittelpunkt.